Die letzten Früchte dieser Gartensaison sind geerntet. Darunter waren auch noch ein paar Kürbisse, die – naheliegend – zum Thema „Halloween“ überleiten; es ist schließlich die letzte Oktoberwoche. Am Wochenende wird die Zeit umgestellt, es wird noch früher dunkel und mit Allerheiligen beginnt dann der „Trauermonat“ November. Am Abend zuvor wird nun seit einigen Jahren ein Brauchtum gepflegt, das der älteren Generation in der eigenen Kindheit – wenn überhaupt – in US-amerikanischen Serien wie Die Peanuts begegnete. Allerdings zogen seinerzeit am Vorabend von Allerheiligen keine kostümierten Kindergrüppchen durch die dunklen Gassen Bissingens, um – wie Charlie Brown und seine Freunde – mit dem Spruch „Süßes oder Saures!“ („Trick or Treat!“) an den Türen Gaben zu erheischen.
Heute begegnen wir – alle Jahre wieder – pünktlich zur Kürbisernte dem schaurig-schönen Herbstbrauch, der also hierzulande vergleichsweise jung ist. Doch wann kam es bei uns denn eigentlich auf, aus ausgehöhlten Kürbissen geisterhafte Fratzen zu schnitzen, um diese mit Kerzen bestückt zum Leuchten zu bringen?
Als ehemalige Studentin am Tübinger Ludwig-Uhland-Institut triggerte mich diese Frage an. Ich startete mein kleine Recherche zu Halloween. Dazu nutzte ich viele Online-Quellen, las journalistische Beiträge, kurzweilige Kolumnen und interessanten Aufsätze von Wissenschaftler*innen (eine Liste mit Links gibt’s unten). Dabei fiel auf, dass zahlreiche Autor*innen von Presseportalen bestimmte Motive nahezu 1:1 bedienen. Allerdings fördert die tiefere Betrachtung mancher Studie allerhand Widersprüchliches zutage über Ursprung, Verbreitung, Überlieferung und Deutung.
Vielerorts liest man, Halloween reiche zurück auf ein keltisches Fest zu Ehren des Totengottes Samhain. Das wird jedoch von wissenschaftlicher Seite zurückgewiesen (u.a. Gabriele Stefanie Dafft im Interview). Als gesichert gilt, dass Halloween im 19. Jahrhundert von irischen Einwanderern in den USA etabliert wurde, sich dort im Laufe der Zeit „vom reinen Kinderfest zu einem von Erwachsenen ausgeübten ,Lifestyle-Brauch‘ entwickelt hat“ (Augstein/Samida, S.394) und sich erst seit den 1990ern in Europa zu einer Reihe älterer Herbstbräuche gesellt. Genannt werden u.a. Rübengeister, Räbenlicht und Rummelebooze, Martinsumzug oder Funkenfeuer. Diese bedienen ähnlich schaurig-schöne Motive und spielen ebenso mit Gegensatzpaaren wie Dunkelheit/Licht, Furcht/Geborgenheit, Kälte/Wärme, Diesseits/Jenseits. Folglich verwundert kaum, dass manche*r deren Verdrängung befürchtet (vgl. Welt am Sonntag und Tagblatt) – und Kritiker*innen in ihrer Argumentation mitunter gern die kulturelle Tradition dem kulthaften Event gegenüber hervorheben (vgl. Neue Westfälische).
Handelt es sich also bei Halloween überhaupt um einen Brauch? Oder ist der ganze Spuk womöglich nicht mehr als ein willkommener Anlass zur Umsatzsteigerung marktwirtschaftlicher Interessen?
Manches scheint dafür zu sprechen: Alle Jahre wieder bestückt der Handel seine Regale zu Halloween mit Saisonartikeln, dekoriert Schaufenster und bietet Sonderaktionen. „Dem Konsumenten wird durch die Verbindung zwischen den Waren und der hauptsächlich durch die Medien bekannten ,Halloween-Ikonographie‘ wie etwa dem Kürbis, aber auch Gespenstern, Hexen und Skeletten sowie den Farben Schwarz und Orange ein Bezug suggeriert.“ (Augstein/Samida, S.396). Außerdem bedient die Freizeitindustrie den Hype, veranstaltet Mottopartys und volksfestartige Events, die vornehmlich an eine junge Klientel gerichtet sind (vgl. Schilling, S.5 ).
Sicherlich trägt die Kommerzialisierung nicht unerheblich dazu bei, die Popularität von Halloween zu steigern. Doch ganz gleich, ob Kult oder Trend – „mit festen Ritualen und Bräuchen“ ist Halloween in unsere Alltagskultur angekommen und längst „Bestandteil der deutschen kulturellen Identität“ (Wolff). Kultur und Traditionen sind wie Gesellschaften ständig im Wandel, anpassungsfähig und offen für neue Impulse.
Übrigens…
Interessierten hier als Lesetipps zum Schmöckern die Links zu den Quellen:
- Melanie Augstein / Stefanie Samida: Vom Kult zum Pop? Die Kelten und Halloween in der gegenwärtigen Alltagskultur. In: Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft – Jg. 24 /2005/ Heft 2, (2008) S. 389-402
- Kuhn, K J: Kürbis, Kommerz und Kult: Halloween und Kürbisfest zwischen Gegenwartsbrauch und Marketing. In: Schweizer Volkskunde = Folklore Suisse = Folclore Svizzero (2010), 100(3), S. 106-112
- Heinz Schilling: Komet Halloween. In: Zeitschrift für Volkskunde 2001, S. 273-280
- Robert Alexander Wolff: Halloween als Bestandteil der deutschen kulturellen Identität? Wie Bräuche im kulturellen Bewusstsein verankert werden. (2015), GRIN Verlag
- Deutschlandfunk Kultur, Interview mit der Kulturanthropologin Gabriele Stefanie Dafft: Halloween – Sich mit dem Tod beschäftigen
- Deutschlandfunk: Dem Halloween-Kürbis auf der Spur – Ein Rostocker Theologieprofessor erforscht nichtchristliche Feste
- Tagblatt: Etabliert – Wie Halloween Teil des Schweizer Brauchtums wurde
- Austria-Forum: ABC zur Volkskunde Österreichs – Halloween
- Spiegel Reise: Irland und USA – Wo Halloween ein echtes Fest ist
- Augsburger Allgemeine: Bräuche – Halloween kommt aus den USA? Von wegen
- Neue Osnabrücker Zeitung: Die Iren haben Halloween erfunden – Einwanderer brachten das Fest in die USA
- brauchtum.de: Halloween – Gruselig grinsende Geister grüßen grässliche Grufties
- Stuttgarter Zeitung: Kinderwissen – Kürbisgeister vor jeder Tür (u.a. mit der Geschichte hinter Jack O’Lantern)
- Welt am Sonntag: Halloween verdrängt St. Martin
- div. Wikipedia-Beiträge zu Halloween, Heischebräuchen, Räbenlicht, Martini
- Netzwissen: Halloween, Geschichte und Herkunft von Halloween